Seniorengerechtes Wohnen

Entschleunigung der digitalen Metropolen

Von Christian Raum · 2019

Die Intention der Städte und deren Inklusionsbestrebungen ist es, ältere Menschen am Leben in der Stadt der Zukunft teilhaben zu lassen. Doch die Alterung der Bevölkerung stellt in vielen Städten die Stadt-der-Zukunft-Konzepte in Frage. Statt Geschwindigkeit, Digitalisierung und Agilität stehen eher Langsamkeit, fehlendes Technologieverständnis und Routine im Zentrum.

Ein älteres Ehepaar schaut zusammen auf ein Smartphone. Thema: Seniorengerechtes Wohnen
Foto: iStock/Brothers91

Einer von zehn Deutschen ist über 75 Jahre alt. Der Anteil von alten Menschen ist auf dem Land ungleich höher als in den Städten. Doch auch in den Städten gilt – das Ungleichgewicht zwischen jungen und alten Bewohnern steigt stetig. 

Ohne Frage muss jeder, der heute über eine Stadt der Zukunft nachdenkt, diese Alterung der Gesellschaft mit in seinen Konzepten bedenken. Eine Smart City kann nicht nur eine agile, schnelle und digitalisierte Metropole sein. Für die älteren Generationen muss sie an vielen Stellen ihr eigenes Konzept und ihren eigenen Anspruch auf den Kopf stellen. Um die Älteren auch weiterhin teilhaben zu lassen, sollten viele Prozesse und Wege viel langsamer laufen als heute. Alte Menschen müssen in der Lage sein, den Ablauf der Dinge zu verstehen – häufig sind ihnen jedoch viele Dinge und Abläufe um sie herum zu kompliziert. Und der Agilität ihrer Umgebung ziehen Seniorinnen und Senioren womöglich einen ruhigen und gleichmäßigen Ablauf vor.

Seniorengerechtes Wohnen: Recherche in der VR-Welt

Die Sache ist dringend, denn Menschen altern nach ihrer eigenen Agenda. Sie können nicht auf die altersgerechten Lösungen warten. Deshalb stehen an vielen Universitäten die Forschungen rund um die Bedürfnisse älterer Menschen bei der Diskussion um smarte Städte im Vordergrund.

Ich bin zur Recherche in eine Universität eingeladen. Am Telefon hatte mir ein Doktorand über sein Projekt berichtet: In einer Virtual-Reality-Welt könnte ich einer alten Dame durch die Stadt folgen, Probleme und deren Lösungen kennen lernen. Jetzt stülpt er eine 3D-Brille über meinen Kopf und setzt mir Kopfhörer auf. Die virtuelle intelligente Metropole soll Rücksicht auf die Senioren nehmen, erklärt er mir. Mit Kameras, Sensoren, Mikrofonen, Hinweisschildern beobachtet und kommuniziert der zentrale Computer dieser womöglich idealen Welt mit den Menschen. 

Quelle: BDEW, 2019

Ich erfahre, wie diese digitale Steuerung den Verkehr rentnergerecht entschleunigt. Ampeln erkennen die Zahl der wartenden Personen. Der stetige und ruhige Strom der Passanten auf dem Bürgersteig ist wichtiger als der Fluss des Verkehrs. Sobald eine bestimmte Anzahl von Personen warten, schaltet die Ampel auf „Rot“ – und erst wenn auch die letzten Senioren und Kinder die Straßen überquert haben, wird der Autoverkehr mit „Grün“ wieder freigegeben. Die These meines Gesprächspartners ist, dass Trennen von alten Menschen und ihrer Umwelt grundsätzlich nicht der richtige Weg sein kann. Eine bessere Option sei es, die alten Herrschaften in die Stadt zu integrieren. Die sollte aufgrund ihrer IT-Infrastruktur intelligent genug sein, um Angebote zu machen, die Menschen unterstützen, sich auf Straßen, über Plätze und in Parks zu bewegen.

Smarte Wohnungen sind Teil der smarten Stadt

Die Dame in unserer VR-Simulation hat eine Sehbehinderung. Wenn sie ihrem Smartphone oder dem Tablet vertraut, wird sie mit Stimmen durch die Stadt navigiert. Die Geräte unterstützen auch beim Einkaufen, indem sie Text in Sprache und Sprache in Text verwandeln. Die Forscher weisen mich darauf hin, dass auch die smarte und mit Informationstechnologie gesteuerte Wohnung ein entscheidender Teil der Stadt der Zukunft sein wird. 

Mit ein paar Mausklicks erreichen wir die virtuelle Wohnung gleichzeitig mit unserer Stadtführerin. Insbesondere Küchen, Badezimmer, Treppenhäuser sind nach ihren Bedürfnissen entworfen und realisiert. Sie steuert die Wohnung mit ihrer Sprache und die Räume begrüßen sie. Auf Zuruf lässt sie sich Wasser in die Wanne laufen, ihr Tag wird mit einem warmen Bad ausklingen. Die digitale Wohnung erlaubt ihr ein Leben in ihren eigenen vier Wänden, ein Altenheim ist für sie keine Option.

Quellen:
Wireless World Research Forum "Smart Cities and the Ageing Population"
B. Bhattacharya "Urbanization, Urban Sustainability and the Future of Cities"
Klaas Postelt ​"Barrierefreie PDF-Dokumente erstellen"

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