Die Smart City

Mit Hightech-Wissen zum nächsten Wirtschaftszentrum

Von Christian Raum · 2020

Die meisten Städte und Gemeinden arbeiten mit großem Engagement an der Transformation, das ist das Ergebnis einer Umfrage unter Verantwortlichen und Bürgermeistern in ganz Deutschland. Deren Hoffnung ist groß, ihre Metropolen in saubere und lebenswerte Städte zu wandeln. Doch nicht immer arbeiten Politik und Verwaltung Hand in Hand.

Futuristische Stadt von oben
Foto: iStock/Daniel Tomlinson

Bei der urbanen Transformation gäbe es zwischen Politik und Verwaltung in vielen Städten einen Konflikt – während die Verwaltungen sich dem Wohl ihrer Gemeinde verpflichtet fühlten, würden Politiker gerne sich selbst oder ihre eigenen Ideen im Stadtbild verewigen. Dies führe vor allem dann zu ärgerlichen Diskussionen, wenn die Verwaltungen mit Mobilitätskonzepten und einer digitalen Plattform Staus und Chaos bekämpfen wollten. 

Bei einer Telefonrecherche unter deutschen Städten brachte ein Verwaltungsmitarbeiter seinen Ärger auf den Punkt. Die Methode der Politiker gegen den Verkehrsinfarkt sei immer noch Straßen verbreitern, Tunnel graben und Brücken bauen – „Beton können die Bürger sehen; Beton steht auch noch in hundert Jahren.“ Eine digitale Verkehrssteuerung sei dagegen für die meisten Bewohner einer Stadt unsichtbar. Ihr Charme liege doch eben darin, dass sie ohne großes Aufsehen und im Hintergrund funktioniere. Und genau deshalb sei sie für viele Politiker keine Option.

Urbaner Wandel wird zum Ziel einer Stadt

Gegen alle Widerstände und Vorbehalte haben deutsche Städte in den vergangenen Jahren damit begonnen, ihre urbane Transformation und den damit verbundenen digitalen Wandel an dediziert Verantwortliche zu übergeben. In diesem Prozess wurden Verantwortlichkeiten und Strukturen aufgebrochen und neu gestaltet. Für ein derartiges Vorgehen gibt es anscheinend zwei Muster: Einige Städte haben eine Stabsstelle eingerichtet, die den Wandel begleiten und steuern soll. Die Digitalisierungsbeauftragten in diesen Verwaltungen sind typischerweise den Bürgermeistern zugeordnet. Hier im Rathaus steuern sie von der Spitze der städtischen Hierarchie den Wandel.

Ein zweites Konzept sieht die Gründung von städtischen Unternehmen vor, in denen ein Team von Mitarbeitern den Wandel und die damit verbundenen Projekte steuert. Die Mitarbeiter sitzen häufig nah der Hochschulen, bei den IHKs oder in der Nachbarschaft der großen regionalen Unternehmen. Hier firmieren sie häufig unter dem Etikett der „Stadtförderung“ oder auch der „Wirtschaftsförderung“.

Erwartungen an Wirtschaftsförderungsgesellschaften

Bei ihnen läuft das Know-how zusammen, das für den digitalen Wandel benötigt wird. Entscheidend ist, dass das Wissen um die Verwaltung einer Stadt und die damit verbundenen Prozesse und rechtlichen Vorgaben mit dem technischen Wissen rund um Digitalisierung und Automatisierung abgestimmt wird. Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Energieeffizienz, Ressourcenmanagement, Verkehrssteuerung – je nach Ausrichtung und Zielen des Wandels werden weitere Kompetenzen eingebunden. Hier suchen die Mitarbeiter häufig die Partnerschaft mit den regionalen Unternehmen, mit Hochschulen oder auch Forschungseinrichtungen. Durch die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern soll ein heikles Thema gelöst werden – die Daten aus der Stadt bleiben zum größten Teil in der Stadt und werden nicht über Ländergrenzen und Kontinente verteilt.

„Die Hightech-Industrie zieht neues Wissen und neues Kapital in unsere Stadt“, ist sich der Leiter einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Süddeutschland sicher. Laut seiner Darstellung gäbe es viele Städte, die hoffen beim Wandel in erster Linie aus ihren eigenen Wissensquellen zu schöpfen. Das hier gesammelte Wissen um Nachhaltigkeit und Wandel soll in einem nächsten Schritt möglichst breit vermarktet werden.

Quelle: splendid research, 2018

Die Smart City: Wandel aus eigener Kraft

Eine andere Herangehensweise ist es, neben den eigenen Hochschulen und regionalen Unternehmen die Transformation auf Basis der bereits bestehenden Lösungen und Technologien internationaler Hersteller zu realisieren. Hier geht es vielen Metropolen um eine möglichst schnelle Umsetzung von digitalen Prozessen und nachhaltigen Energien auf Basis von bereits laufenden „Best Practice“-Lösungen. Ein wichtiger Kritikpunkt ist allerdings, dass die Vorstellungen von US-amerikanischen oder auch chinesischen Herstellern häufig mit dem deutschen Verwaltungsrecht oder auch mit dem Datenschutz kaum zu vereinbaren sind. Auch fürchten viele Stadtbewohner um die Hoheit über ihre Daten, wenn Verwaltung und Politik die weltweite digitale Vernetzung bei Forschung, Entwicklung und Industriepolitik suchen.

Aber auch hier hoffen die Stadtoberen, neues Hightech-Wissen aus den Ressourcen der eigenen Stadt zu generieren. Die eingebundenen Studenten aus den Hochschulen sollen mit günstigen Krediten und mit der Hilfe der Wirtschaftsförderer eigene Unternehmen starten. Mit erfolgreichen Start-ups hoffen sie, den uralten Traum der Wirtschaftsförderung zu verwirklichen: die Stadt in einen Hotspot für neue Technologien und neues Wissen zu verwandeln. Automatisierung und künstliche Intelligenz, so ist die Hoffnung, könnte das Fundament für ein regionales Wirtschaftswunder werden: Es ist keine Frage – in der deutschen Provinz arbeiten die Verantwortlichen daran, sich in Wirtschaftszentren zu wandeln – und einige Städte und Regionen sind hier tatsächlich auf einem erfolgreichen Weg. Am Ende winken Steuereinnahmen und Wohlstand, der Zuzug neuer und hochspezialisierter Einwohner sowie im Ranking der Städte ein deutlicher Sprung nach oben.

Neuer Stadtteil wird nachhaltig und klimaneutral

Unsere Redaktion ist mit der Leiterin der Stadtförderung einer Stadt in Westdeutschland verabredet. Sie erläutert uns, wie sie gemeinsam mit den Hochschulen, den städtischen Versorgungsunternehmen und einigen spezialisierten Betrieben aus der Region einen neuen Stadtteil aufbauen will. Ziel sei es, ein altes kontaminiertes Kasernengelände aus der Zeit des Kalten Krieges in „unseren neuen, liebenswürdigen Stadtteil“ zu verwandeln. Das Vorgehen sei hoch komplex und beginne mit der Räumung und Entseuchung der am Stadtrand gelegenen Brachfläche. Wichtig seien zahlreiche rechtliche Probleme bei der Umwidmung des Geländes. Auch müsse für die neue Nutzung eine komplett neue Infrastruktur aufgebaut werden – Wasser, Strom, Müllentsorgung, digitale Netze, Straßen, Busse – die in Zukunft komplett digital und weitgehend automatisiert gesteuert werden wird. Architekten und Stadtplaner der örtlichen Hochschulen arbeiten bereits daran, Häuser und Straßen des neuen Stadtteils am Computer zu entwerfen. Das städtische Versorgungsunternehmen plane die Stromerzeugung mit Photovoltaik und Windenergie; die Bevölkerung soll möglichst klimaneutral wohnen und arbeiten. Digitalanbieter arbeiten an den Konzepten, Wohnungen und Gewerbe mit Hightech, Breitband und Smart Metering auszustatten. Nur wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtentwicklung alle Fäden in der Hand halten, kann das entstehen, auf das die gesamte Region hofft – ein hochmodernes Quartier, das für viele andere Städte nicht nur Vorbild ist. Andere Städte mit ähnlich problematischen Brachflächen können eine erprobte, nachhaltige und voll funktionsfähige Lösung übernehmen und eigenständig realisieren.

Quellen:
iiw.de/smart-city-studie-2018-vorgestellt/
www.business.hsbc.com/asean/asean-cities-need-business-to-help-smarten-up
www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/stadt-wohnen/stadtentwicklung/smart-cities/smart-cities-node.html

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