Smarte Stadt

Mehr Wumms bei der Wende

Von Jens Bartels · 2022

Kleines Modell eines Hauses mit Schal und Mütze auf einem Heizkörper.
Für die Stadt der ­Zukunft ­bedarf es neuer Wärmekonzepte. Foto: iStock / riocean

Auch in Städten wird Wärme künftig immer mehr aus klimaneutralen Quellen kommen. Für die Umsetzung dieser Wärmewende spielt Technologievielfalt eine wichtige Rolle. Zum Beispiel Tiefengeothermie, mit Biogas oder Wasserstoff betriebene Blockheizkraftwerke oder Wärmepumpen werden dabei künftig wichtige Bausteine sein.

Fossile Energieträger spielen für die Wärmeversorgung in der Stadt der Zukunft keine Rolle mehr. Aber welche Technologien machen das Rennen, damit die Wärmewende gelingt? Nach Überzeugung von Forschenden der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft kann auf dem Weg zur Klimaneutralität des Wärmemarkts die Tiefengeothermie einen ­wichtigen Beitrag leisten, weil sie jahres- und tageszeitunabhängig lokale Energie liefert, grundlastfähig ist und aufgrund des geringen Platzbedarfs auch unter beengten innerstädtischen Verhältnissen errichtet werden kann. Eine gemeinsame Studie der Forschenden aus diesem Jahr kommt dabei zu dem Schluss, dass Tiefengeothermie, gegebenenfalls kombiniert mit Großwärmepumpen als Wärmequelle für Fernwärmenetze, ungefähr ein Viertel des jährlichen deutschen Wärmebedarfs, also rund 300 Terawattstunden, abdecken könnte. Sie lassen sich unter anderem für die kommunale Wärmeversorgung, Fernwärme oder die Wohnungswirtschaft nutzen. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es nach Überzeugung der Experten unter anderem klarer Ausbauziele und großflächiger geologischer Erkundung. Zudem müssen mehr Fachkräfte ausgebildet werden. Die Forschenden machen in ihrer Studie auch Angaben zu den Kosten. Zum Aufbau einer tiefengeothermalen Erzeugungsinfrastruktur und zur Anbindung an kommunale Verteilungsinfrastrukturen würden auf die öffentlichen Haushalte und private Unternehmen in den kommenden zehn Jahren Investitionen in Höhe von 2 bis 2,5 Milliarden Euro je Gigawatt installierter Leistung zukommen. Damit lassen sich aus Sicht der Forschenden wettbewerbsfähige Wärmegestehungskosten von unter 30 Euro je Megawattstunde erzielen.

Im Quartiersmaßstab denken

Aufgrund der großen Synergieeffekte bietet gerade die intelligente Planung der Energieversorgung im Quartiersmaßstab viele Möglichkeiten, Effizienzpotenziale freizusetzen und damit für mehr Klimafreundlichkeit zu sorgen. Zu diesem Ergebnis kommt eine im April 2022 veröffentlichte Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena). Modellrechnungen anhand mehrerer verschiedener Quartierstypen haben ergeben, dass die quartiersoptimierte Versorgung Kostenvorteile von bis zu 45 Prozent gegenüber der Versorgung von Einzelgebäuden aufweist. Die Ursachen für den deutlichen Kostenvorteil bei der Quartiersversorgung liegen demnach in einem erhöhten Selbstversorgungsgrad mit kostengünstigen, lokal erzeugten erneuerbaren Energien sowie dem Zugang zu zusätzlichen Versorgungsoptionen wie der Nutzung von lokaler Abwärme.

Vielfalt an Technologien für eine smarte stadt

Dabei ist schon heute klar: Insgesamt ist die klimaneutrale Wärmeversorgung in der smarten Stadt von morgen nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Technologien möglich. Dazu zählt die Kraft-Wärme-Kopplung in möglichst mit Biogas oder Wasserstoff ­gespeisten Blockheizkraftwerken. Auch Brennstoffzellen oder mit grünem Strom betriebene Großwärmepumpen werden bei der Energieversorgung im Quartier eine wichtige Rolle spielen. So können Großwärmepumpen im Vergleich zu dezentralen Wärmepumpen große natürliche Wärmequellen und industrielle Abwärmequellen mit hohem Energiepotenzial auf niedrigem Temperaturniveau nutzen. Diese Quellen liegen meist nicht in direkter Nähe der Wärmeverbrauchenden oder können von Einzelverbrauchenden aufgrund ihrer Größe nicht erschlossen werden. Insbesondere in Quartieren mit hohem spezifischem Wärmebedarf, die mit Fernwärme versorgt werden können, wird durch Großwärmepumpen eine effiziente strombasierte Wärmeversorgung ­ermöglicht.

Beispiele für eine smarte Wärmeversorgung mit großen Wärmepumpen gibt es schon heute. So versorgen ein 200 Meter langer Wärmetauscher aus Edelstahl in einem 100 Jahre alten Freispiegelkanal und eine Großwärmepumpe ein 50.000 Quadratmeter großes Bürohaus am Berliner Ostbahnhof mit Wärme und Kälte. Damit werden nachhaltig 50 Prozent des Wärme- und Kältebedarfs des Gebäudes abgedeckt und rund 400 Tonnen des schädlichen Kohlendioxids eingespart. Zudem ist die Energieversorgung mit der Abwasser-Wärmepumpe laut den Betreibern genauso günstig wie eine herkömmliche Lösung mit fossil erzeugter Fernwärme. Sie ermöglicht darüber hinaus nachhaltige Wärme und Kälte mitten in der Stadt, wo der Platz für Wind- und Solarenergie meist begrenzt ist. Ein weiteres Beispiel für ein smartes Energiekonzept entsteht auf der Brachfläche des ehemaligen Güterbahnhofs Bad Cannstatt. Dort wird ein neues Stadtquartier mit mehr als 800 Wohnungen, Hotels, Schulen, Sportstätten sowie Dienstleistungs- und Gewerbebetrieben gebaut. Es soll hauptsächlich mit der Energie des städtischen Abwassers versorgt werden, die mittels Wärmetauscher und kaskadierten Wärmepumpen über ein Niedrigtemperatur-Nahwärmenetz bereitgestellt wird. Auch die derzeit ungenutzte Abwärme aus dem Rauchgasreinigungsprozess einer Müllverbrennungsanlage in der Nähe der österreichischen Hauptstadt Wien soll in Zukunft mittels Großwärmepumpen in das Fernwärmenetz eingespeist werden.

Weitere Schlüsselelemente

Bei der Dekarbonisierung des Wärmesektors und bei der Kopplung von Strom, Wärme und Verkehr als zentralen Elementen klimaneutraler Quartiere werden auch intelligente Technologien im Energiemanagement und Speicher eine Schlüsselfunktion übernehmen. So zählen operative Softwarelösungen im Energiemanagement für verschiedene Anwendungsfälle wie Versorgungssicherheit oder Netzautomatisierung zu den Instrumenten für eine optimale Markt- und Netzintegration dezentraler Energiesysteme. Speicher werden dagegen dabei helfen, die ressourceneffiziente Nutzung smarter Strukturen spürbar zu optimieren. So können in smarten Quartieren beispielsweise dezentrale Energieerzeugungsanlagen und Speicher, Elektrofahrzeuge und Ladesäulen sowie öffentliche Dienstleistungen digital miteinander verknüpft werden, damit so nachhaltig mehr Lebensqualität für die Menschen geschaffen werden kann.

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