Digitalisierung der Metropolen

Wettbewerb der Städte

Von Christian Raum · 2018

Anscheinend wollen die meisten Menschen in Metropolen leben: In den kommenden zwanzig Jahren könnte die Gesamteinwohnerzahl aller Städte auf bis zu fünf Milliarden Menschen steigen. Deshalb stellen sich Städte neu auf, digitalisieren sich und treten miteinander in den Wettbewerb. Denn alle wollen die Gebildeten, Reichen, Motivierten und Erfolgreichen anziehen.

Der Vatikan im Sonnenuntergang. Thema: Digitalisierung der Metropolen. Foto: TomasSereda
Der Petersdom im Vatikan. Foto: iStock/TomasSereda

Der weltweite Wettbewerb um die Führungsplätze beim digitalen Wandel ist hart und teuer. Laut Marktforschern werden Städte und Regionen in den kommenden Jahren bis zu 700 Milliarden Euro für ihre Digitalisierung ausgeben. Der größte Teil dieser Investitionen fließt in Infrastrukturen wie Strom- oder Mobilfunknetz, mit der Energiemanagement, Verkehrssteuerung, autonome Fahrzeuge oder Elektromobilität möglich werden.

Unternehmen verstehen die Digitalisierung als einen Standortvorteil, den sie explizit suchen und nutzen. Um bei der Auswahl der neuen Unternehmenszentralen oder Niederlassungen zu unterstützen, veröffentlichen Europäische Union, unterschiedliche Universitäten und auch Consulting-Firmen eine Vielzahl von Analysen und Listen mit dem jeweiligen Digitalisierungsgrad der untersuchten Städte. Ein vorderer Platz in diesen „Digital-Hitparaden“ zieht Investoren, Unternehmen und Institutionen an. Und mit ihnen kommen neue Einwohner, neues Knowhow und frisches Geld.

Die Disziplinen im internationalen Wettbewerb der Städte sind Lebensqualität, Nachhaltigkeit, Sicherheit, Gesundheit, der Wechsel zur Elektromobilität. Und auch Wissenschaft und Bildung gehören zu den Schlüsselkriterien, mit denen sich die „smarten“ Städte für hochgebildete Arbeitnehmer und Akademiker attraktiv machen. Mit ihnen hoffen sie Wissen, neue Technologien und neue Industrien anzuziehen. 

Attraktivität der Stadt erhöhen: Digitalisierung der Metropolen

Dahinter steht das Interesse der Stadt­oberen den Wert der eigenen Region zu maximieren: Neue Unternehmen, steigende Grundstückspreise und hohe Einkommen versprechen sprudelnde Steuereinahmen. Das sind die Geschäftsmodelle, die viele Bürgermeister gemeinsam mit ihren Smart-City-Verantwortlichen verfolgen.

Auf diese Weise wandeln sich viele Städte in digitalisierte Wirtschaftsunternehmen. Und das neue Geschäftsmodell basiert zu großen Teilen auf der prognostizierten Industrie-4.0-Revolution: Städte wollen bei Automatisierung und Digitalisierung ganz vorne mitspielen und neue Standards setzen. Hierzu spezialisieren sich Städte und Regionen auf bestimmte Fachgebiete: Gesundheit, Logistik, Energie oder Verkehrskonzepte.

Auch in deutschen Städte hat sich der Wandel von Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft herumgesprochen. Im europäischen Vergleich scheinen deutsche Verwaltungen allerdings eher behäbig zu sein. In einer Studie aus dem Sommer 2018 zeigen die Autoren, wie einige wenige Digitalisierungstreiber deutliche Vorstellungen davon entwickeln, wie sie ihre Stadt national und international positionieren können. 

Quelle: SPLENDID RESEARCH, 2018

Aufteilung der Zuständigkeiten

Ganz oben auf der Agenda stehen dabei auch hier das Verkehrsmanagement, Mobilität, Energieeffizienz und die Hoffnung auf nachhaltige Wirtschaftsförderung. Städte, die es mit der Digitalisierung ernst meinen, suchen die Zusammenarbeit mit Universitäten und Forschungsinstituten. Viele träumen davon, eine eigene Startup-Kultur in ihren Quartieren zu entwickeln.

In den vergangenen zwei Jahren haben die ersten Städte begonnen ihre Aktivitäten zu strukturieren und Verantwortlichkeiten zu definieren. Dabei stehen vier Modelle im Vordergrund:

Schaffung dedizierter Stabsstellen für die Digitalisierung. Der Oberbürgermeister selbst wird aktiv und baut ein Team auf, das seine persönlichen Referenten unterstützt. Häufig wird ein Digitalisierungsbeauftragter ernannt, eine Stabsstelle eingerichtet oder analog zur Industrie ein „Chief Digital Officer“ mit dem Thema betraut. 

Delegieren der Zuständigkeit in der Fachabteilung. Verwaltungen, die den digitalen Wandel als Entwicklungsthema verstehen, delegieren das Thema an Fachabteilungen, typischerweise an die Wirtschaftsförderung. 

Gründung einer Digitalisierungsgesellschaft. Um die Digitalisierungsverantwortlichen von den Verwaltungsprozessen zu trennen und ihnen eigene Projektverantwortung zu geben, gründen Städte Tochtergesellschaften, in denen sie – häufig gemeinsam mit Universitäten – Wissen bündeln.

Keine eigene Zuständigkeit. Erstaunlich ist, das fast die Hälfte der befragten Städte dem Wandel hilflos gegenüber steht. In diesen Verwaltungen sind keine explizit Zuständigen definiert. Digitalisierungsthemen werden als Projekte vom jeweiligen IT-Ressort und dem ausgewählten IT-Dienstleister abgearbeitet. 

Quelle: SPLENDID RESEARCH, 2018

Großbritannien liegt bei der Digitalisierung vorn 

Dagegen vermittelt Großbritannien ein völlig anderes Bild. Hier ist die Digitalisierung der Städte ein wichtiges Ziel der Regierung und Verwaltungen. Diese sind dazu aufgerufen, sich am Wandel zu beteiligen. 

Nach dem Sieg in einem landesweiten Wettbewerb im Jahr 2015 baute eine große Industrie- und Universitätsstadt im Norden Englands einen innerstädtischen „Innovationskorridor“ auf. Innerhalb von zwei Jahren wurden Gelände und Gebäude mit mehr als 60.000 Arbeitsplätzen digitalisiert.

Darüber hinaus werden heute auch die Räume der Universität, die von etwa 72.000 Studenten genutzt werden über die Rechenzentren gesteuert. Häuser, Straßen, Autos, Busse und auch Parkanlagen wurden mit Sensorik ausgestattet. Die Anwendungen im Rechenzentrum verfolgen, analysieren und steuern das Leben, die Energie und den Verkehr auf dem Korridor rund um die Uhr. 

Jetzt überlegen die Verantwortlichen, wie sie dieses Modell als Exportschlager in die Welt verkaufen können.

Wussten Sie schon, dass … 

… die Vatikanische Bibliothek seit dem Jahr 2015 Buch für Buch digitalisiert wird? 

Die im 15. Jahrhundert gegründete Biblioteca Apostolica Vaticana zählt zu den ältesten und wichtigsten der Welt. Die Verantwortlichen bauen im Internet ein digitales Schatzhaus des intellektuellen Erbes der Menschheit auf – denn die Bestände sind bei weitem nicht auf Materialien beschränkt, die das Christentum repräsentieren. Forscher gehen davon aus, dass die Sammlung rund 1,1 Millionen Bücher umfasst, von denen einige seit Jahrhunderten nicht mehr gelesen oder berührt wurden. 

Mit dem Scannen und Bearbeiten von Büchern, Dokumenten und Briefen werden Texte und Geschichten sichtbar, die über die Jahrhunderte aus dem Gedächtnis der Menschen verschwanden. Für die kommende Zeit erhalten alle Interessierten die Möglichkeit in den Büchern und Dokumenten der Bibliothek zu blättern und zu lesen – während die Bücher selbst nie wieder angefasst werden sollen.

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