Urbanisierungstrend

Metropolen im Wandel

Von Michael Gneuss · 2021

Der Trend zur Urbanisierung ist ungebrochen – auch in Deutschland. Jedoch stehen Metropolen unter einem starken Druck, sich wandeln zu müssen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Klimaschutz, Digitalisierung und der Wunsch nach mehr Lebensqualität stehen im Vordergrund.

Mehrere Fahrradfahrer in einer grün bepflanzten Stadt.
Foto: iStock / photoschmidt

Als in den Neunzigerjahren das Internet die Welt zu revolutionieren begann, schien für viele das Ende der Urbanisierung besiegelt. Nunmehr schien es egal, wo man sich physisch aufhielt, da man auch über das World Wide Web an allem teilhaben und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen sicherstellen konnte. Warum dann nicht dauerhaft mehr Natur genießen? Der Gedanke entpuppte sich schnell als Irrtum. Metropolen haben auch zu Beginn dieses Jahrhunderts nichts an Strahlkraft verloren. Im Gegenteil: Während viele Regionen mit der Landflucht zu kämpfen haben, wachsen die Großstädte immer weiter.

Dennoch: Nachdem die Pandemie uns lehrte, aus dem Homeoffice zu arbeiten, in Videokonferenzen zu kommunizieren und online zu kaufen, was im Lockdown in Geschäften für uns nicht mehr zu haben war, ist die Diskussion um eine neue Lust am Landleben wieder aufgeflammt. Doch auch diesmal scheint eine echte Welle der Stadtflucht höchst unwahrscheinlich zu sein. Zu groß sind die Vorteile, die Ballungsräume zu bieten haben. Die Gesundheitsversorgung ist tendenziell besser, die Chancen auf einen interessanten Job sind oftmals höher und für Kultur und Freizeit ist das Angebot deutlich größer. Wer in Großstädten lebt, hat die Freiheit, sich in die Anonymität zurückzuziehen, aber ebenso, Gleichgesinnte für den sozialen Austausch zu finden. Nicht zuletzt der Fachkräftemangel befördert die Vorzüge der städtischen Räume. In dünn besiedelten Regionen wiegt das Fehlen an qualifizierten Kräften oft noch schwerer.

Weltweit mehr Städter durch Urbanisierungstrend

Global bestehen die Prognosen einer rasch zunehmenden Stadtbevölkerung unvermindert fort. Daten der United Nations Population belegen, dass schon jetzt mehr als die Hälfte der Menschen weltweit in städtischen Räumen leben. Im Jahr 1950 lag dieser Anteil noch bei einem Drittel. Und schon in knapp 30 Jahren erwarten die Statistiker bereits mehr als 60 Prozent der Menschheit in urbanen Gebieten. Um knapp 0,5 Prozentpunkte wächst der Anteil der städtischen Bevölkerung von Jahr zu Jahr. Am stärksten ist der Zuzug in Afrika. Uganda, Burundi und Tansania sind mit fünf Prozent und mehr jährlichem Zuwachs in Städten ganz vorn. Für Deutschland sind diese globalen Entwicklungen nicht unwichtig. Als Exportnation entwickeln wir traditionell Produkte und Lösungen für die Bedürfnisse der Menschen in aller Welt. Und gerade das schnelle Wachstum in Metropolen auf anderen Kontinenten geht mit immensen Herausforderungen einher. Unter dem Namen „Urban Technologies“ werden Technologien zusammengefasst, mit denen diese Aufgaben bewältigt und Städte intelligent gemacht werden.

Will Deutschland zum Leitanbieter von Urban Technologies werden, müssen deutsche Städte auch Leitmärkte für entsprechende Lösungen sein. Sprich: Wir brauchen Smart Cities, die der Welt zeigen, wie heute eine intelligente, nachhaltige und lebenswerte Stadt aussehen kann. Diese Lösungen müssen skalierbar sein, denn in den lukrativen Märkten erreichen Städte noch einmal eine ganz andere Größenordnung als in Deutschland. Deutschland hat mit Berlin, Hamburg, München und Köln nur vier Städte mit mehr als einer Million Einwohner. Zum Vergleich: China hat über 90 Städte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern. In Japan kommt die einwohnerstärkste Metropolregion der Welt, Tokio, auf fast 40 Millionen.

Klimaschutz in Ballungsräumen

Die Bandbreite der Lösungen, die für moderne, intelligente Städte benötigt werden, ist riesig. Vor dem Hintergrund des Klimawandels sind zunächst jene zu nennen, die CO2-Emissionen verringern. Der Fokus muss daher auf wichtigen Zukunftstechnologien liegen. Ein Beispiel ist der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Mithilfe von grünem Wasserstoff kann erneuerbare Energie gespeichert werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass er über die bestehenden Gasnetze transportiert werden kann, sodass keine neue Infrastruktur aufgebaut werden muss. Wasserstoff kann in der Industrie, im Verkehr und in der Wärmeversorgung eingesetzt werden und somit zu einem zentralen Baustein der Energiewende werden.

Um die Emissionen zu verringern, starten Städte und Kommunen vielfach Klimaschutzprojekte, die unter Umständen vom Bund gefördert werden können. So wurde im Jahr 2008 die Nationale Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums initiiert. Bis Ende 2020 wurden darüber Gesamtinvestitionen in Höhe von vier Milliarden Euro. Für Kommunen hat das Ministerium auch eine Umsetzungsberatung auf den Weg gebracht.

Das Ziel in Städten muss unter anderem sein, die Wärme- und die Verkehrswende zum Erfolg zu führen. Dort wo Wohngebiete neu gebaut werden, können Konzepte von klimagerechten Quartieren und einer nachhaltigen Stadtplanung verwirklicht werden. In der Regel entstehen dabei heute gemischt genutzte Quartiere – mit Wohnraum, Arbeitsplätzen, einer Nahversorgung mit Einzelhandelsgeschäften, Gastronomie oder auch Unterhaltungs- und Kulturangeboten. Städte in denen Wohn-, Business- und Shoppingviertel getrennt voneinander existieren, sollen der Vergangenheit angehören, denn die Trennung produziert Wege.

Moderne Quartierskonzepte

Moderne urbane Quartiere können hingegen ganzheitlich und integriert geplant werden. Sie bieten Ruhezonen, eine effiziente Energieversorgung, Logistikkonzepte für die letzte Meile und eine durchdachte Verkehrsanbindung. Oft kommen ausgeklügelte Lösungen mit modernen dezentralen Wärmeversorgungsanlagen zum Einsatz. Auch das Bauen selbst erfordert effiziente Technologien. In wachsenden Städten ist der Bedarf an Wohnungen – und insbesondere an bezahlbarem Wohnraum – groß. Deshalb müssen die Potenziale, die Digitalisierung im Bausektor bietet, gehoben werden.

Die meisten Menschen wohnen jedoch nicht in modernen Quartieren, sondern mitunter in jahrzehntealten Bestandsgebäuden. Die Wärmewende ist hier besonders anspruchsvoll und eine Aufgabe für Spezialisten, die in effiziente Technologie investieren.

Postfossile Mobilität

Ebenso wichtig ist die Verkehrswende. Die Stadt der Zukunft braucht einen leistungsstarken öffentlichen Personennahverkehr – als Basis der urbanen Mobilität. Sharing-Angebote ergänzen den Bus- und Bahnverkehr, per Fahrrad, Scooter oder auch dem Auto. Wünschenswert wären auch mehr Carpooling-Services, um vom ÖPNV schlecht erschlossene Gebiete effizient bedienen zu können. Vermehrt müssen im Rahmen von postfossilen Mobilitätskonzepten neue Antriebs- oder Kraftstoffkonzepte zum Einsatz kommen: Elektroautos oder Biokraftstoffe. Nicht zu unterschätzen ist auch die Aufgabe der Wasserversorgung in Ballungsräumen. Dazu gehört die Bereitstellung von jederzeit verfügbarem, sauberem Trinkwasser. Die Stromversorgung muss räumlich über das Stadtgebiet hinaus gedacht werden. In Städten ist zu wenig Platz für Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom, sodass die Versorgung aus dem Umland erfolgen muss. Zudem muss das Thema Energieeffizienz wichtig genommen werden, um den Verbrauch in Wohnungen, Büros und im Gewerbe einzudämmen.

Die Stadt der Zukunft wird vor allem eine digitale Stadt sein. Entsprechende Infrastrukturen mit leistungsfähigen Netzen können zum Beispiel in der Energieversorgung, zur Verkehrslenkung oder im Abfallmanagement eingesetzt werden. Schließlich müssen Smart Cities auch lebenswert sein und Rückzugsräume bieten. Denn Menschen wünschen sich auch mitten in der Stadt ein bisschen Natur und ein bisschen Land. Der Trend zum Urban Farming ist ein untrügliches Indiz dafür.

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